Ich saß im Hof unserer Reporter-WG in Port-au-Prince. Ein Lied schlich sich aus meiner Erinnerung ins Heute, mischte sich mit den Sonnenstrahlen, die den Beton der Zisterne schon am Morgen wärmten. Kräftige Salami, herzahftes Schwarzbrot aus der Dose, kalte PEPSI-Cola. Im Baum über uns zwitscherte es, auf der Straße jenseits der Grundstücksmauer boten Händler Telefonkarten und Trödel lauthals zum Kauf an.
"In der Sonne" befindet sich neben vielen anderen Robert-Long-Stücken seit einiger Zeit auf meinem i-pod. Einst hörte ich es im Arbeitszimmer meiner Eltern auf dem heiligen Zyphona Türkis, schwarze Kopfhörer auf den Ohren.
Jetzt saß ich in Haiti, dachte an das Lied, hatte den i-pod dabei. Seit Haiti hat dieser Song eine eigene, nur in meinem Kopf abrufbare Illustration.
Wir hockten mitten in der Karibik. Umgeben von der Gegenwart des Todes, unter einer unbeschreiblichen Glocke aus Verwesung, Feuer und rußenden Diesel-Trucks.
Bilder hatten sich in unsere Gedanken gebrannt, die uns fassungslos machten.
Robert Long lebte in den Niederlanden. In Deutschland wurde er mit seinem zweiten deutschsprachigen Album "Homo Sapiens" bekannt. In der "DDR" erschien ein Lizenzalbum mit einem kleinen Querschnitt der Songs, die MICHAEL KUNZE ins Deutsche übertragen hatte.
Robert Long starb am 13. Dezember 2006 an Krebs.